Es war wieder einer dieser Tage an denen die Sonne scheint und brennt als wäre sie nicht weiter entfernt als der Mond. In den frühen Morgenstunden hatte ich meine Kamera geschnappt und bin ohne Ziel durch die Stadt gewandert, bis ich schließlich am Bahnhof ankam. Impulsiv wie ich nun einmal bin nahm ich den ersten Zug in die Berge, hoffend dort etwas mehr Schatten zu finden. Und vielleicht etwas zu sehen, dass ich zuvor verpasst hatte um dies dann auf Zelluloid zu brennen.
Um die Mittagsstunde hielt ich kaum mehr in der Sonne aus und machte mich auf die Suche nach einer Höhle die groß genug ist um mich hinein zu setzen und etwas auszuruhen. Obwohl es nicht gerade wenig Höhlen gibt, befinden sich darunter nicht gerade viele die einen erwachsenen Menschen beherrbergen können und so suchte ich fast eine Stunde vergeblich bis ich endlich eine erspähte.
Unsicher was mich darin erwartet - es könnte ja ein Bär oder ein Rudel Wölfe darin leben - schaute ich vorsichtig um die Ecke am Eingang. Die Höhle war tatsächlich groß genug um einer ganzen Großfamilie Unterschlupf zu bieten und zu meiner Überraschung tat sie das auch. Jedoch keine Menschen. Und nachdem ich mich versichert hatte, dass ich nicht halluziniere, wünschte ich beinahe, dass es Bären oder Wölfe wären, denn in der Höhle hausten doch tatsächlich Drachen.
In der Mitte der Höhle hatten es sich einige riesige Exemplare bequem gemacht, während um sie herum und über sie drüber und vielleicht auch unter ihnen hindurch einige ziemlich kleine Drachen tollten.
Als einer der kleinen gefährlich nah an mich heran kam zog mich schnell zurück. Ich stand mit dem Rücken fest an die Außenwand der Höhle gepresst, meinen Atem haltend und ließ mir alles noch einmal durch den Kopf gehen.
Drachen! Unmöglich! Es gibt keine Drachen. Hat sie nie gegeben. Die Sonne muss deinem Hirn geschadet haben... Ich verblieb in dieser Position bis ich meinte mich erholt zu haben. Dank eines alten Baumes und der Position der Höhle im Berg stand ich im Schatten. Wieder bei Sinnen, wie ich glaubte, lugte ich noch einmal um die Ecke. Alles bestätigte sich: da waren Drachen!
Nun komplett davon überzeugt, dass ich nicht ganz richtig im Kopf sein konnte packte ich meine Sachen und machte mich auf den Weg nach Hause.
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Tage, Wochen und sogar Monate zogen ins Land und ich begann zu vergessen was ich gesehen hatte. Und beinahe hatte ich es komplett als Einbildung abgetan als eines Tages - diesmal kalt und regnerisch - ein Paket geliefert wurde. Die Adresse war schlecht geschrieben, aber da stand eindeutig mein Name drauf. Und kein Absender.
Ich entfernte zuerst die kurze Notiz die auf dem Paket klebte; ich dachte mir, wenn schon jemand die Notiz außerhalb anbringt, statt sie mit hineinzulegen, sollte ich es vielleicht zuerst lesen. Weihnachten war nicht so weit entfernt. Vielleicht...
Die Notiz brachte den Tag im Sommer sofort aus meiner Erinnerung an die Front meiner Gedanken. Da stand jemand hätte mich gesehen -
Ich war doch allein dort! - und wusste was ich gesehen habe. Er erklärte weiterhin, dass in den darauffolgenden Wochen alle alten Drachen, einer nach dem anderen aus unerklärlichen Gründen verstorben oder verschwunden wären und dass auch nur wenige der Jungdrachen übrig wären. Was mich aber an meisten schockte war die Bitte, mich um das Ei zu kümmern, da er mit den Jungdrachen bereits mehr als überlastet wäre und niemanden kennt, der von den Drachen weiß.
Ich starrte ohne zu sehen auf das unscheinbare Paket. Wie lange ich das tat weiß ich nicht. Ich kann Zeit nicht nach Gefühl bestimmen - ich merke ja kaum, dass ein ganzes Jahr an mir vorbei geflogen ist, also versuche ich gar nicht erst Sekunden oder Minuten zu bestimmen.
Aus Trotz und der Überzeugung, dass ich noch schlafen musste, legte ich mich wieder in mein Bett und schlief tatsächlich nach nur wenigen Augenblicken wieder ein.
Als ich ein paar Stunden später erwachte hatte ich das Paket bereits vergessen. Wie an jedem normalen Tag begab ich mich in die Küche und bereitete mir mein Frühstück zu, welches ich in aller Ruhe genoss. In etwa der selben Gemütlichkeit ging ich dann in mein Arbeitszimmer um ein paar Stunden lang zu arbeiten. Auf meinem Schreibtisch begrüßte mich ein Paket.
Sprachlos setzte ich mich in meinen Sessel und starrte das beige Pergamentpapier an. Ein stinknormales Paket. Nicht groß aber auch nicht klein. Die Notiz lag offen daneben.
Ich beschloss, dass es nur einen Weg gäbe aus diesem Traum wieder herauszukommen: zu Ende träumen!
Festentschlossen, dass dies ein Traum ist und ebenso fest entschlossen, dass ich verdammt noch mal mutig bin (wenigstens in meinen Träumen!) riss ich das Papier auf und befreite - ohne überrascht zu sein (und das hätte mich dann schon wieder überraschen sollen) - das Ei aus seiner Verpackung.
Und dann hielt ich doch kurz inne. Das war immerhin ein Drachenei! Selbst in meinen wildesten Träumen kam noch kein mystisches Fabelwesen vor, und hier hielt ich ein Drachenei in meinen Händen und es fühlte sich alles so verdammt echt an.
Ich setzte das Ei vorsichtig auf meinem Schreibtisch ab und wühlte Schüttpolster im Packt hin und her um sicher zu gehen, dass nichts weiter mitgeschickt wurde. Gut, dass ich das tat, denn ganz unten - und erst jetzt fiel mir auf, dass das Paket viel zu groß für das Ei allein ist - ganz unten jedenfalls fand ich ein kleines Notizbuch mit der Aufschrift: "Drachenaufzucht für Dummies".
Wäre es nicht so beleidigend hätte ich vielleicht sogar darüber gelacht.
Ich bin skeptisch und zynisch; nicht von Natur aus, aber Erfahrung hat mich gelehrt, dass die Welt kein Kinderspielplatz ist. Es gibt keine Drachen. Nicht mal in meinen Träumen gibt es sie. Ich träume nicht - ich muss im Koma liegen und neben meinem Bett sitzt meine Schwester und erzählt mir jede Menge Stuss über ihre Geschichte und welcher Zeichner auf Deviantart nun die besten Drachenbilder produziert und welche Bücher (mit Drachen natürlich) sie nun schon wieder gekauft hat und vorallem was in diesem komischen Drachenspiel so alles passiert. Ja! Das muss es sein. Wenn ich aufwache bringe ich sie um!
Bis dahin erzähl ich euch von meinem Drachen.
Ich bin krank - es widerspricht sich also nicht, dass ich nicht an die Existenz von Drachen glaube und trotzdem enthusiastisch über meinen eigenen berichte.
Enthusiastisch?! Wo kam das jetzt wieder her?Na ja. Egal. Das Ei, welches ganz unschuldig auf meinem Schreibtish thront ist schwarz. Komplett und schnörkellos schwarz. Aber warte, ich hab ein Bild:
Zumindest macht es einen netten Briefbeschwerer. Ich glaube ich lese jetzt erst einmal was in diesem Notizbuch steht...